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Grosse Spieler, die das Ulmer Trikot trugen
Walter
Vollweiler
Das Ulmer Fußballidol in den 1930er Jahren!
Der 17-jährige Walter Vollweiler in der
Aufstiegsmannschaft 1929 stehend 3. von rechts, in die höchste deutsche
Spielklasse.
Er wurde am 17.04.1912 in Ulm
geboren. Er war der mittlere Sohn von Samson und Betty Vollweiler, die eine
Pferde- und Viehhandlung betrieben. Die Familie wohnte am Münsterplatz 5 im 3.
Stock. Sein Bruder Kurt war zwei Jahre älter als Walter, der Bruder Heinz
(später Henry) 14 Jahre jünger. Walter Vollweiler besuchte die Grundschule,
später die Oberrealschule an der Olgastraße - das heutige Keplergymnasium - bis
zum Abitur. Schon als ca. 12-Jähriger wurde er Mitglied im UFV1894 zusammen mit
seinem Bruder Kurt und durchlief sämtliche erste Jugendmannschatten als
herausragender Torschütze. Und so war es nicht erstaunlich, dass er 1929 als
17-Jähriger in der Kreismeister-Mannschatt des UFV stand, die den erstmaligen
Aufstieg in die Bezirksliga schaffte. Der Begriff Bezirksliga ist heute
irreführend. Es war damals die höchste deutsche Klasse, in der die Bayern und
die 1860er aus München, Schwaben Augsburg und auch der Lokalrivale 1. SSV Ulm
kickten. "Volle", wie ihn die Fans nannten, erzielte im Aufstiegsjahr allein 75
Tore. Zitate aus den Ulmer Tagblatt vom Herbst 1932: "In der Mitte steht
Vollweiler, der ein ganz gefährlicher Durchreißer und Torschütze ist.
Grundbedingung für ihn ist, dass er mit steilen Vorlagen bedient wird". "In der
zweiten Minute greift Vollweiler den abwehrenden Schwabenverteidiger Kraus an
und tritt ihm den Ball vom Fuß weg aufs Tor. Der Torwart Niederhofer kann den
Ball wohl noch berühren, aber dennoch landet der Ball im Netz....". "Vollweiler
steht allein vor dem Torwart und schiebt den Ball in die linke Torecke und
schießt damit den Siegtreffer." "... erfasst Vollweiler die Situation. Er
spritzt einer Ballrückgabe des linken Teutonenverteidigers nach und am Torwart
vorbei landet der Ball im Netz." "... gibt Berchtold eine Vorlage an Vollweiler,
der den Ball über den herauslaufenden Torwart aus 18 m ins Tor hebt. Eine feine
Leistung, die den Sieg der Ulmer sicherstellte." "Diese 5. Ecke verwandelte
Vollweiler durch unhaltbaren Kopfstoß direkt zum 2. Tor." "Vollweiler traf mit
einem prächtigen Schuss zum Ausgleich" "Vollweiler konnte sich trotz guter
Bewachung immer öfter durchsetzen." "Vollweiler erhält den Ball 40 m vorm Tor,
ein rasanter Lauf und ein Bomben-
schuss aus gut 20 m landet im Netz, dem Torwart keine Chance gebend."
"Vollweiler und die beiden rasanten Flügel können sich vor allem das Verdienst
an der reichen Torausbeute zuschreiben." "Ein prächtiger Spieler ist der
Mittelstürmer Vollweiler. Mit allen Begabungen ausgestattet erinnert er in der
Ballbehandlung an wendige und ideenreiche Internationale, dabei ist sein Spiel
von großer Wucht und Durchschlagskraft." "Am 9. Oktober 1932 läuft Walter
Vollweiler beim 4:2 im Leipziger VfB-Stadion gegen Mitteldeutschland erstmals
für Süddeutschland auf... Vollweiler feiert einen tollen Einstand als
Mittelstürmer, erzielt in der 16. Minute das 3:0 und in der 53. das 4:1". Der
"Fußball" aus München schreibt, Vollweiler sei "die interessanteste
Spielererscheinung des Jahres in der Gruppe Südbayern". Der Bundespokal-Einsatz
bringt dem Ulmer "hohe Anerkennung der gesamten Sportpresse", wie eine
Jüdische Zeitung festhält. Am 24.10.1932 spielten die "Ulmer Spatzen" gegen den
Deutschen Meister Bayern München unentschieden 3:3. Weitere Zahlen zu diesem
Spiel: 10.000 Zuschauer, 1.500 Fahrräder, über 500Motorräder und ca. 350 Autos.
Anfang1933 wurde Vollweiler in die Süddeutsche Auswahl nominiert, die gegen
Oberitalien knapp verliert. Die Ulmer Stadtauswahl trat gegen Ujpest Budapest
an. Am 23.03.1933 vermeldete das Ulmer Tagblatt: "Vollweiler beim DFB-Kurs in
Frankfurt. Wie wir hören, hat der Mittelstürmer des UFV94 eine Einladung zu dem
vom 29. März bis 1. April im
Frankfurter Stadion stattfindenden Fußball-Lehrkurs des Deutschen Fußballbundes
erhalten. Vollweiler wird der Einladung Folge leisten."
Am 9. April 1933 bestritt Walter Vollweiler sein letztes Spiel für den UFV94
gegen Schwaben Augsburg, das 0:1 verloren ging. Er hatte bis dahin 115
Spiele in der ersten Mannschaft bestritten und war der Torjäger Nr. 1. Das
Ulmer Tagblatt vom 13. 4. veröffentlicht, dass Walter Vollweiler seinen Austritt
aus dem UFV erklärt habe und dass der größte Teil der Mitglieder jüdischer
Abstammung ebenfalls ihren Austritt aus dem
Verein erklärt hätten. Tatsächlich erhielten alle jüdischen Mitglieder -wie
Gretel Bergmann in ihrer Biographie schreibt - einen "blauen"
Brief mit dem Inhalt, sie seien unerwünscht und deshalb ausgeschlossen. Noch in
seiner Ausgabe vom 13. 4.1933 hatte das "Israelische Familienblatt" stolz
mitgeteilt, Walter Vollweiler sei von Reichstrainer Nerz zu einem Lehrgang der
Nationalmannschaft eingeladen worden. Eine Woche später berichtete die selbe
Zeitung, der Ulmer FV 94 sei "angegriffen" worden (von wem wird nicht genannt);
Stürmer Vollweiler, jüdische Vereinsgründer, Funktionäre und Aktive müssen den
Verein verlassen. Vater Samson Vollweiler, einer von sieben Viehhändlern in Ulm,
steht am 1. 4.1933 auf der Boykott-Liste der Nazis: "Es darf in Deutschland
keinen anständigen Menschen mehr geben, der ab heute noch bei einem Juden
einkauft." Mitte Mai meldet das Familienblatt: "Walter Vollweiler hat seine
spielerische Tätigkeit bei Ulm 94 eingestellt und ist Berufsspieler beim Racing
Club in Paris geworden" (Was so nicht stimmte, er war nach Sete zum damaligen
französischen Amateurmeister emigriert). Anfang 1934 hieß es, er sei vor einigen
Monaten AS Rennes beigetreten. Beim Erfolg von Rennes gegen den Pacing Club de
Paris am 14. Januar 1934 erzielt der 21-jährige Emigrant gegen den Welttorhüter
Hiden alle drei Tore. Leider waren nähere Informationen aus Frankreich nicht zu
erfahren.
Vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht emigrierte Walter Vollweiler in die
USA.
Die Eltern Samson und Betty sind mit Walter Vollweilers elfjährigem Bruder Heinz
1934 noch in Ulm. In diesem Jahr wird im nahen Städtchen Langenau auf dem
Viehmarkt ein gesonderter "Viehhandelsplatz für Juden und Judenknechte"
ausgewiesen. Am 11. September 1938 emigrieren die Vollweilers in die USA. Wieder
am Ball sieht man Walter Vollweiler 1942 gemeinsam mit Bruder Kurt in der
Eastern District Soccer League in den USA; beide spielen in New York im Sterling
Oval in der Bronx für den New Word Club, dessen Gegner der ebenfalls jüdische
Prospect Unity Club ist. . . . Walter Vollweiler hatte vor der Bronx gewiss
andere Kulissen gekannt: "Als der UFV94 im Jahre 1932 im Stadion Ulm ein 3:3
gegen den Deutschen Meister Bayern München erreichte, sahen 10.000 zu." Walter
Vollweiler machte in den Vereinigten Staaten zuerst den Wehrdienst, dann eine
Optikerlehre. In Miami eröffnete er eine Optische Werkstatt und ein
Brillenfachgeschäft, das er bis 1987 betrieb.
Walter Vollweiler (2. von links)
1988 bei seinem Ulmbesuch mit seinen
ehemaligen Mannschaftskameraden Willi Rippberger und Willi Engel,
begrüßt vom damaligen Vereinsvorstand Gustl Krieger.
Bereits 1947 war Walter Vollweiler
wieder in Ulm. Die damalige Mannschaft der TSG Ulm 46 staunte nicht schlecht,
als vor einem Punktspiel plötzlich ein GI-Officer in der damaligen Umkleide im
"Kleinen Vereinsheim" auftauchte und die alten Kameraden begrüßte. Die
ehemaligen Jugendspieler von Anfang der 30er Jahre erkannten natürlich sofort
ihr Idol "Volle". Und einige Tage später kam Walter Vollweiler noch einmal zu
Besuch und verteilte Ami-Zigaretten (die Mehrzahl der Spieler rauchte damals und
keiner fand etwas dabei). Im Jahr 1988, als ehemalige Ulmer jüdischen Glaubens
auf Einladung ihre Heimatstadt besuchten, hatte ich die Gelegenheit, Walter
Vollweiler kennen zu lernen. Es war am Schwörmontag, ich war Vorstandsmitglied
im SSV Ulm 1846 und Stadionsprecher. Walter Vollweiler vollzog den Anstoß des
traditionellen Schwörmontagsspiels, diesmal SSV Ulm 1846 gegen Fenerbahce
Istanbul und ich hatte das große Glück, bei dieser Gelegenheit Walter Vollweiler
zu begegnen. Er erzählte mir über seine Zeit beim UFV -übrigens in schwäbisch -
. Auch, dass seine Familie nicht religiös gewesen sei und dass es zu Weihnachten
Geschenke gab. Auf dem DFB-Lehrgang 1933 in Frankfurt habe ihm Reichstrainer
Otto Nerz geraten: "Hau ab, euch Juden geht's bei den Nazis dreckig." Da der UFV
die Frankreichkontakte pflegte und er in der Schule Französisch gelernt hatte,
fuhr er nach Frankreich und wurde dort Profi. Vor dem Einmarsch der Deutschen
emigrierte Walter Vollweiler 1940 in die USA. Heute tut es mir leid, dass ich
ihn damals nicht intensiver befragt habe. Anfang der 90er-Jahre verstarb Walter
Vollweiler in New York und alle Kontakte, auch zu seinen Brüdern, -Nachkommen
hat er nicht-, waren erfolglos.
Auf mehrmalige Anfragen kamen keine Antworten.
Eine Erinnerung an Walter Vollweiler bleibt. Nach unserem Schwörmontagsgespräch
brachte er mir einen Pokal mit der Widmung;
> Verständnis und Toleranz < .
Zum Andenken an diesen begnadeten Fußballer aus dem Ulmer Fußballverein 1894
soll dieser Pokal, zusammen mit einem Geldpreis bei den künftigen
Sportlerehrungen der Stadt Ulm an einen Verein, eine Abteilung oder eine Gruppe
vergeben werden, die sich bei der Integration sozial Schwacher, der
Eingliederung von Ausländern, der Unterstützung von Behinderten oder auf einem
anderer Gebiet erfolgreich eingebracht haben.
Quelle: Fritz Glauninger > Wir im Blick <, SSV Ulm 1846
Weiterführende Links zum Thema
Walter Vollweiler:
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Ein verstaubter Pokal erhält neuen Glanz
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Von jüdischen und linken Sportlern