ZEITZEUGEN / Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wird vorbereitet
Von jüdischen und linken Sportlern


JÜRGEN BUCHTA

Trauerzug für Hugo Wallersteiner, den langjährigen Vorsitzenden des UFV. Zweiter von rechts ist Walter Vollweiler, der in Paris Profifußballer werden sollte. Archivfoto 

Zumindest zwei jüdische Sportler hat es in Ulm gegeben, die international bekannt wurden: Gretel Bergmann und Walter Vollweiler. Im Hinblick auf den Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus werden Zeitzeugen gesucht, die sich an weitere Sportler erinnern.
 
Der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar wird in Ulm seit neun Jahren mit Veranstaltungen im Stadthaus begangen. Jahr für Jahr stand ein anderes Thema im Zentrum des Erinnerns. Auch für 2005 ist ein neuer Schwerpunkt gesetzt: Dann stehen die jüdischen, sozialistischen und kommunistischen Sportler im Blickpunkt, die bis zur so genannten Machtergreifung in der Ulmer und Neu-Ulmer Vereinswelt aktiv waren.
 
Jüdische Sportler? Da fällt zumindest eine Spitzensportlerin ein, die heute 90-jährig in den USA lebt: die Hochspringerin Gretel Bergmann. Bergmann war zwar in Laupheim zuhause. Im Ulmer Fußball Verein 1894 (UFV) war sie aber organisiert, der in zahlreichen Sparten auch andere Sportarten pflegte.
 
Zur Fußball-Kreismeister-Mannschaft des UFV zählte Anfang der 30er Jahre auch Mittelstürmer Walter Vollweiler. Der 1912 geborene Sohn eines zunächst in der Olgastraße, später am Münsterplatz 5 angesiedelten Vieh- und Pferdehändlers, war in die süddeutsche Auswahl berufen und für Kurse zur Aufnahme in die Nationalmannschaft bestimmt. Daraus wurde nichts. Reichstrainer Nerz riet dem jungen Mann im Frühjahr 33: "Hau ab, euch Juden wirds bald dreckig gehen." Vollweiler folgte diesem Rat und machte wenig später in Paris Fußballkarriere. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich übersiedelte er in die Vereinigten Staaten, wo er 1942 gemeinsam mit seinem Bruder Kurt in der Eastern Soccer League spielte; die Ulmer Vollweilers waren im September 1938 in die USA emigriert.
 
1988, wenige Jahre vor seinem Tod, weilte Walter Vollweiler noch einmal in Ulm. Er war der Einladung der Stadtverwaltung an die ehemaligen jüdischen Ulmer gefolgt. "Er sprach einen breiten schwäbischen Dialekt", erinnert sich Fritz Glauninger. Glauninger ist Ehrenmitglied des SSV Ulm 1846 und im Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg aktiv. Er hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Geschichte der Ulmer Sportler aufzuarbeiten.
 
Während seiner Recherchen ist Glauninger auch auf andere jüdische Sportler gestoßen. Hugo Wallersteiner zum Beispiel, den "Musterjuden von Ulm", wie das NS-Hetzblatt "Der Stürmer" ihn einst nannte. Wallersteiner führte 16 Jahre den UFV, darüber hinaus saß er lange Jahre dem Ulmer Ruderclub vor sowie dem Kunst, Freundschaft und Humor fördernden Verein Schlaraffia. Wallersteiner starb 1930. Oder Otto Hilb, der bis an sein Lebensende immer wieder Ulm besuchte. Hilb stand einst im Tor der Hockeyspieler. Auch gab es einen jüdischen Boxer namens Hirsch.
 
Glauninger schätzt, dass vielleicht 50 der 500 Ulmer Juden Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre Mitglieder in Sportvereinen waren. Unmittelbar nach der Machtergreifung hat man sie hinausgeworfen. "Die Jahn-Halle, in der die Unterlagen gelagert waren, brannte 1944 nach einem Bombenangriff ab", erzählt er. "Folglich ist die Quellenlage heute sehr mager."
 
Weitere Zeugnisse
 
Lothar Heusohn von der Ulmer Volkshochschule und Dr. Silvester Lechner vom Dokumentationszentrum haben sich vorgenommen, nach weiteren Zeugnissen zu forschen. Sie bitten alle Menschen in der Region, die sich an diese Zeit erinnern oder Dokumente über jüdische, sozialistische und kommunistische Sportler besitzen, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen.
 
Die politisch links stehenden Sportler waren überwiegend in der Freien Turnerschaft aktiv. Erbe dieses Vereins ist der VfL, heute der Böfinger Verein. Kommendes Jahr feiert der VfL sein 100-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass werde auch die Geschichte der linken Sportler aufgearbeitet, berichtet Lechner.
 

 
INFO
 
Menschen, die sich an jene Zeit erinnern oder Dokumente besitzen, können sich mit Silvester Lechner, Telefon: (0731) 213 12 oder Lothar Heusohn, (0731) 15 30 24 zu den Geschäftszeiten in Verbindung setzen. Darüber hinaus stehen die beiden am Mittwoch, 21. Juli, 19 Uhr, in der Ulmer vh als Ansprechpartner bereit.

 
 

Südwestpresse

Erscheinungsdatum: Samstag 17.07.2004