GEDENKTAG / Nazis, Sport und viel
Nachholbedarf Pokal für Toleranz
Erhält neuen Glanz
Ein
bis vor kurzem verstaubter Pokal für Toleranz, gestiftet von einem vor
den Nazis geflohenen Ulmer Fußballer, erhält neuen Glanz: Er wird
künftig wieder verliehen.
WOLFGANG SCHEERER
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Nachdenklich: (von links) Silvester Lechner, Professor Lorenz
Peiffer, SWR-Journalistin Natalja Kurz und Fritz Glauninger, der
Archiv-Chef des SSV 46. Er hat den Pokal des vor den Nazis ins
Exil geflohenen Ulmer Fußballers Walter Vollweiler in einem
verstaubten Winkel wiederentdeckt. FOTO: VOLKMAR KÖNNEKE
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Der Ausschluss
jüdischer und sozialistischer Athleten und Funktionäre aus den Vereinen
geschah von 1933 an oft in "vorauseilendem Gehorsam". Auch in Ulm. Bei
der zentralen Veranstaltung am Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus, die in diesem Jahr den Sportlern gewidmet war,
forderte Professor Lorenz Peiffer aus Hannover Verbände und Vereine
gerade deshalb zur Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels ihrer
Vergangenheit auf.
Der Ulmer Oberbürgermeister hatte den Abend im Stadthaus vor rund 130
Zuhörern, darunter auffallend wenige Vertreter des regionalen Sports,
mit Blick auf das traurige Beispiel der Freien Turnerschaft eröffnet,
die schon kurz nach Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933 als
erster Ulmer Verein Status und Vermögen verlor. Gerade der Sport zeige,
"wie der ganz normale Faschismus begann, der später als industrielle
Tötungsmaschinerie wie geschmiert lief", sagte Ivo Gönner. Kritisch
betonte Sportwissenschaftler Peiffer: "Viele Vereine tun noch so, als
seien die Juden freiwillig ausgetreten. Ich erwarte, dass der Sport
sich, was Offenheit angeht, große Industrieunternehmen als Vorbild
nimmt. Der Deutsche Fußball-Bund wehrt sich teilweise bis heute, Archive
zu öffnen. Aber damit kann man nur gewinnen."
Silvester Lechner, Leiter des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg und
Hauptorganisator der Veranstaltung, wünscht sich generell mehr
Sensibilität: "Wir müssen überall, wo sich Nazi-Geist meldet, aufstehen
und Nein sagen - zum Beispiel auch, wenn sich im Ulmer Stadion Fans mit
Nazi-Parolen zu Wort melden."
Eine Trophäe, im Saal aufgestellt, soll von jetzt an symbolisieren, wie
wichtig der Stadt der Einsatz für "Verständnis und Toleranz" auch im
Sport ist. Diese Worte stehen auf dem großen Pokal, den der 1933 ins
Exil geflohene Fußballer Walter Vollweiler vom Ulmer FV 94 beim Besuch
1988 in seiner Heimatstadt für die beste Jugendmannschaft des
Nachfolgevereins SSV 46 gestiftet hat. Er geriet wie der ehemalige
Klassestürmer selbst jedoch bald wieder in Vergessenheit. "Nun soll er
als Wanderpokal aus der verstaubten Ecke wieder in den Mittelpunkt
gestellt werden", sagte Ivo Gönner.
Im Rahmen der Ulm/Neu-Ulmer Sportlerehrung wird der Pokal künftig
verliehen - an Jugendliche, die sich im Verein besonders eingesetzt
haben für das, was Walter Vollweiler 1933 in Ulm verwehrt blieb:
Verständnis und Toleranz.
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