Grosse Spieler, die das Ulmer Trikot trugen

Wolfgang Fahrian


(Quelle: Festschrift des SSV Ulm 1846 zum 150jährigem Jubiläum)

TSG Ulm 1846

Oberliga 1960/61
Amateurliga 1961/62
Oberliga 1962/63
 
WM-Torwart 1962 in Chile

Die Geschichte des Torhüters Wolfgang Fahrian beschreibt einer der wundersamsten Blitzkarrieren im deutschen Fußball, und dies auf dem verantwortungsvollsten Posten, den es in einer Mannschaft gibt.

Unglaublich, dass lediglich zwei Jahre zwischen dem Tag lagen, an dem Wolfgang Fahrian zum ersten Mal überhaupt in einem offiziellen Spiel zwischen den Pfosten stand und dem 11. April 1962, da er sein Debut als Nationaltorhüter in Hamburg gegen Uruquay gab (3:0).

Ende März 1960 in Hof hütete Fahrian das erstemal in der Reserve der Oberliga-Mannschaft von Ulm 46 das Tor - ausgerechnet in Hof, wo zu diesem Zeitpunkt noch sein späterer Trainer und Förderer Fred Hoffmann tätig war.

Der Start verlief nicht sonderlich ermutigend, denn es hagelte fünf Gegentreffer. Doch 14 Tage später stand der 18jährige wieder zwischen den Pfosten, diesmal in der Amateurelf der "Spatzen", und von da an gab es bis zum Saisonende ein munteres Wechselspiel zwischen dem Verteidiger und dem Torhüter 
Wolfgang Fahrian. 

Dabei hatte er durchaus seine Meriten als Feldspieler, war mit der A-Jugend der TSG Ulm 1846 zweimal württembergischer Meister und sogar in die süddeutsche Auswahl berufen worden.

Es gab nicht wenige Fans in Ulm, die nörgelten: "Jetzt machen sie aus einem guten Verteidiger einen schlechten Torwart". Doch die hatten nicht mit Fahrians Ehrgeiz und seinem nahezu unendlichen Fleiß gerechnet. Außerdem war der junge Mann schon immer recht selbstkritisch: Bei internationalen Jugendturnieren bewunderte er die Ballfertigkeit der Südländer und verglich sie mit dem eigenen Können, das eher von Kampf und Kraft geprägt war.

Darin und vielleicht auch im Flachs des Ulmer Stürmers Dieter Wirthwein, der wie Fahrian in Klingenstein wohnte - "Junge, du bist zu leicht auszuspielen, du liegst zu oft auf dem Boden, da kannst du ja gleich Torwart machen" - lag womöglich der Anstoß zum Wechsel des Metiers. Zu einem solchen märchenhaften Aufstieg gehören freilich auch Glücksfälle.

Zufall Nummer eins:

Nach drei Oberligaspielen benötigte Ulm 46 im Herbst 1960 dringend einen Torwart. Stammkeeper Manfred Paul war nach Karlsruhe gewechselt, der von Nürnberg geholte Adi Ruff verschwand schnell wieder und der erfahrene Arthur Kiessling verletzte sich. Was blieb Trainer Fred Hofmann da anderes übrig, als das Wagnis mit Fahrian einzugehen.

Am 04. September 1960 im Heimspiel gegen Schweinfurt stand er mit 19 Jahren zum erstenmal bei einem Oberligaspiel im Tor - wieder mit nur mäßigem Erfolg, denn das Spiel ging 2:3 verloren.

Dennoch machten inzwischen vor allem seine katzenhaften Reaktionen für jeden das Talent des Wolfgang Fahrian deutlich, und was fehlte, konnte erarbeitet werden. Fahrian schuftete wie ein Berserker: Fast jeden Tag Sondertraining, bei jeder Witterung. Gerhard Müller, damals einer der Routiniers bei den "Spatzen", meint heute noch bewundernd: "Der Matsch konnte gar nicht hoch genug spritzen, der Wolfgang warf sich hundertmal rein. Oder wenn der Boden gefroren war und wir aufpassten, ja nicht hinzufallen - er zog immer sein volles Programm durch".

Von nichts kommt eben nichts. Und so wurde aus dem Neuling in kürzester Zeit ein veritabler Oberliga - Schlussmann, der freilich auch den Abstieg seiner Mannschaft 1961 nicht verhindern konnte.

Für den nächsten Karriere-Sprung sorgte Zufall Nummer zwei:

Verletzung und Formschwäche hatten Nationaltorwart Tilkowski harscher Kritik ausgesetzt; es hagelte Vorschläge, mit wem man es in der Nationalmannschaft versuchen sollte. Bundestrainer Sepp Herberger, dickköpfigen Lösungen bekanntlich nicht abgeneigt, entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg und stellte im wichtigen WM-Testspiel 1962 gegen Uruquay Wolfgang Fahrian zwischen die Pfosten, der zuvor im Junioren-Länderspiel 1961 in Gelsenkirchen gegen Polen (5:0) mit Glanzparaden begeistert hatte.

Der Mann aus der 2. Liga hielt prächtig und die Medien hatten eine tolle Story. So war es nur logisch, daß das Torwart-Talent auch zum Weltmeisterschaftsaufgebot für Chile 1962 gehörte.

 

Dass er dort freilich gleich zur Nummer eins aufstieg, verblüffte dann doch alle. Herberger sah das hinterher ganz pragmatisch: "Er hatte einfach die besseren Trainingsleistungen als Til." Der zurückgesetzte Tilkowski war verschnupft und beklagte sich vor allem nach dem Ausscheiden der bundesdeutschen Mannschaft im Viertelfinale gegen Jugoslawien (0:1) lauthals. Doch Fahrian war an der Niederlage am wenigsten Schuld: Der Treffer des Jugoslawen Radakovic kurz vor Schluss war ein ausgesprochener Sonntagsschuß - unhaltbar. Zuvor hatte Fahrian beste Arbeit geleistet und in drei Spielen nur ein Tor hinnehmen müssen. Ehrenspielführer Fritz Walter lobte: "Selten habe ich einen Torwart mit so kühnen Paraden gesehen - mit wirkungsvollen Paraden, keine Show."


Das Ende für Deutschland in der WM 1962.
Wolfgang Fahrian konnte den unhaltbaren Schuss
zum 1:0 Siegtreffer der Jugoslawen nicht parieren.

Der WM-Torwart aus der 2. Liga freute sich indes, dass seine Mannschaft auch ohne ihn vollends den Aufstieg ins Oberhaus geschafft hatte.
1962 - 63 hatte er wesentlichen Anteil am hervorragenden Abschneiden der "Spatzen" im letzten Oberligajahr.

Dann kam die Bundesliga und mit dem Bundesliga-Skandal auch ein Karriere-Knick bei Wolfgang Fahrian, der inzwischen für Hertha BSC hielt.

Weitere Stationen waren dann 1860 München, Fortuna Düsseldorf und Fortuna Köln, bis 1976 seine aktive Laufbahn zuende ging.

Danach wurde Wolfgang Fahrian unter anderem Spielerberater und bekam ob seiner Seriosität in diesem oft undurchsichtigen Geschäft Lob von allen Seiten. Das Fachorgan "Kicker" stufte ihn da ebenso hoch ein wie als Spieler:

 
"Von der Nummer eins zum ersten Mann Deutschlands."

(Ein Auszug aus der Festschrift des SSV Ulm 1846 zum 150jährigem Jubiläum.)