Das Interview

Der Chaos Convoy Ulm im Gespräch mit:

Charly Mey, Stadionsprecher SSV Ulm 1846


Mit diesem Interview setzt der Chaos Convoy eine kleine Serie fort, in der Persönlichkeiten, 
die im Vordergrund wie auch im Hintergrund des SSV Ulm 1846 stehen, zu Wort kommen. 

Steckbrief:


Fotos: Chaos Convoy

Name:                Mey
Vorname:           Charly
Geburtsdatum:   24.02.1939
Geburtsort:            Berlin
Wohnort: Ulm
Familienstand:              Seit 40 Jahren verheiratet,
2 Kinder
Beruf: Kaufm. Angestellter im Ruhestand


Aus der Presse haben die Fans vom Rücktritt des langjährigen Stadionsprechers Charly Mey  erfahren. Diese Meldung kam wie aus heiterem Himmel, und löste bei den Fans Verwunderung und Bedauern aus. Immerhin ist Charly Mey für viele junge Zuschauer die „Stimme des Donaustadions“. Eine feste Institution, mit der man über viele Jahre hinweg groß geworden ist. Der Fanclub Chaos Convoy Ulm wollte dies nun genauer hinterfragen, und organisierte am 28.07.2005 ein Interview mit dem scheidenden Stadionsprecher.
 

CCU: Hallo Charly. Vielen Dank, dass du dir etwas Zeit genommen hast, um uns ein paar Fragen zum plötzlichen Rücktritt von deinem Amt als Stadionsprecher zu beantworten.
 

Charly Mey: So plötzlich war dieser Rücktritt gar nicht. Dieser Abschied war schon seit längerer Zeit geplant und angekündigt. Bereits beim Heimspiel am 08. April gegen Normannia Gmünd fällte ich diese Entscheidung, und habe Herrn Eberhardt davon unterrichtet. Für mich stand fest, dass mein letztes Spiel hinter dem Mikrophon am 04.06.2005 beim letzten Heimspiel der Saison 2004/2005 sein wird.

CCU: Doch zur offiziellen Verabschiedung ist es ja dann nicht gekommen.

Charly Mey: Nein. Ich wurde für längere Zeit krank. Meine Verabschiedung war zum Testspiel gegen VFB Stuttgart geplant, doch da war es mir gesundheitlich nicht möglich.

CCU: Wird es dann noch eine offizielle Verabschiedung geben?

Charly Mey: Ich denke schon.

CCU: Trotzdem. Für uns Fans ist dein Rücktritt sehr bedauerlich.
Warum dieser Schritt?

Charly Mey: Nun, es sind rein private Gründe. Die zeitliche Beanspruchung ist für mich inzwischen zu groß geworden. Ich möchte künftig meine Wochenenden mehr mit meiner Familie verbringen. Meine Verpflichtung am Samstagnachmittag im Donaustadion war zuletzt nicht mehr im Einklang mit meiner privaten Freizeitgestaltung zu bringen. Diese Aufgabe hatte mir immer sehr viel Spaß gemacht, doch man muss auch mal aufhören können. Ich muss ja nicht gerade hinter dem Mikrofon sterben.
 

CCU: Seit wann warst du nun eigentlich Stadionsprecher des SSV Ulm 1846?

Charly Mey:
Das war im Winter in der Saison 1966/67. Also noch vor der Fusion zwischen dem 1. SSV Ulm und der TSG Ulm 1846. Leider weiß ich nicht mehr welches Spiel das war.
 

CCU: Wie kamst du zu diesem Job?
 

Charly Mey: 1959 bin ich von Berlin nach Ulm gezogen. Ich war 10 Jahre lang Hockeytorwart beim SSV. Bei der Eröffnung der Ballsporthalle am Westplatz wurden gleichzeitig die Württembergischen Hockeymeisterschaften in dieser Halle ausgetragen. Was damals fehlte, war jedoch ein Hallensprecher, der einigermaßen vernünftig hochdeutsch spricht. Da ist man eben auf den „Preußen“ Charly Mey zugegangen. Während dieser Veranstaltung war der damalige Leiter der Fußballabteilung des SSV Ulm, Horst Mayer anwesend, und fragte mich, ob ich für 3 Wochen im Donaustadion aushelfen könnte. Aus den 3 Wochen wurden dann 39 Jahre..…
 

CCU: Du hast mit dem SSV in den langen Jahren viele Höhen und Tiefen erlebt.
An welche denkst du, wenn du zurück blickst?
 

Charly Mey: Ja, das waren viele Aufstiege, aber auch bittere Abstiege.
Mir tut heute noch weh, dass wir 1982 nicht die Eingliederung in die eingleisige 2. Bundesliga geschafft haben. Im letzten Spiel musste Ulm in Ingolstadt gewinnen, und die Stuttgarter Kickers durften nicht in Bayreuth gewinnen. Ulm gewann in Ingolstadt, jedoch auch die Stuttgarter Kickers gewannen völlig überraschend ihr Gastspiel in Bayreuth. 4 Clubs kamen hoch, Ulm als Fünftplatzierter blieb unten.
Das Team hätte damals die Eingliederung in die neue 2. Bundesliga verdient gehabt.

Einer der Höhen war natürlich der Aufstieg in die 2. Bundesliga 1998 mit Ralf Rangnick
Auch die 17 ungeschlagenen Spiele in der 2. Bundesliga waren schon eine tolle Serie.
 

CCU: Wie hast du damals das 1:9 gegen Leverkusen als Stadionsprecher gemeistert?
 

Charly Mey: Ach das war gar nicht so schlimm. Die Ulmer Fans hatten sich bei diesem Spiel so toll verhalten. Das war kein Tiefpunkt für mich.
 

CCU: Kannte Stadionsprecher Charly Mey vor den Spielen so etwas wie Lampenfieber?

Charly Mey: Nein. Im Normalfall war ich immer sehr gelassen, und hatte nur eine geringe Anspannung. Bei wichtigen Spielen oder bei besonderen Gegnern hatte ich schon eine innere Spannung.
Man will ja nichts falsch machen.
 

CCU: Gab es gewisse Pannen?
 

Charly Mey: Natürlich. Einmal spielte Ulm gegen Geislingen. Ich kündigte die Ulmer in den weißen Trikots an. Jedoch Geislingen spielte in weiß…….
Bei einer Durchgabe der Spielaufstellung hatte ich Sepp Maier mit dessen vollen Namen „Josef Maier“ aufgerufen, obwohl er noch in den Katakomben zu mir sagte, er ist der „Sepp“!  Das gab Ärger…..

CCU: Gab es zu Bundesligazeiten auch Kontakt zu den Spielern?

Charly Mey: Wenig. Kontakt zu den Spielern hatte ich eigentlich mehr in der Ära als Walter Modick, Walter Kubanczyk, Erich Steer oder Dieter Simon noch spielten.
Nach dem Spiel hatte man sich damals in der Vereinsgaststätte getroffen und über das Spiel gesprochen.
 

CCU: In den großen Bundesligazeiten des Ulmer Basketballs warst auch du der Hallensprecher in der Kuhberghalle. War das nur eine kurze Stippvisite?
 

Charly Mey: Ganze 12 Jahre war ich damals beim Basketball. Das war eine sehr schöne Zeit,
die 1988 begann und mir sehr viel Spaß gemacht hat. Ich pendelte damals immer zwischen Fußball-Hockey-Basketball. Mit dem Basketballteam hatte ich viel Kontakt, und konnte mit den Spielern viele tolle Erlebnisse genießen.
 

CCU: Hast du schon mal Angebote als Profi – Sprecher erhalten?
 

Charly Mey: Nein. Es gab keine Angebote, und ich hatte auch keine Ambitionen, so etwas hauptberuflich zu machen. Ich hatte 1978 einen Ausflug in die Welt der Leichtathletik, als ich während eines Junioren-Länderkampfes zwischen Deutschland und Frankreich in Heidenheim einen Weltrekord im Hammerwerfen verkünden konnte: Karl-Heinz Riem gelang damals ein 80,32 m – Wurf. Ein Jahr später war ich bei den Deutschen Meisterschaften im Innenraum des Stuttgarter Neckarstadions mit dem Mikrophon unterwegs, und durfte einen Deutschen Rekord im Weitsprung vermelden. Das sind schon tolle Erlebnisse. Ich hätte noch als Ansager zur Leichtathletik – Europameisterschaft nach Köln gehen können, doch der persönliche Aufwand war dann doch zu groß.
Immerhin hatte ich einen Beruf bei Gardena.
 

CCU: Kommen wir in die Gegenwart. Wie registrierst du die aktuelle Fanszene des SSV Ulm 1846?
 

Charly Mey: Ohne die Fans wäre es im Stadion oft sehr ruhig. Doch alle Zuschauer sollten versuchen, die Mannschaft anzufeuern, wenn es mal nicht so gut läuft. Die Mannschaft braucht die Fans, um aus einem Tief heraus zu kommen.
Mir missfällt, dass aus dem Fanblock der Gegner wie auch die Schiedsrichter manchmal denunziert werden. Das ist unsportlich. So etwas sollten Ulmer Fans nicht nötig haben.

Die Flutlichtspiele sind immer etwas Besonderes. Die legalen Bengalow-Shows in der Vergangenheit waren toll. Alle Achtung vor den Fans, die unsere Mannschaft auch auswärts begleiten. Es ist nur Schade, dass sich besonders die kleineren Vereine wegen ein paar „schwarzen Schafe“ vor den Ulmern fürchten.
 

CCU: Wirst du auch weiter Besucher im Donaustadion sein?
 

Charly Mey: Nicht regelmäßig. Ich werde gezielt ein paar Spiele aussuchen. Ich möchte nun Dinge machen, die ich sonst nicht gemacht habe. Es ist vieles zu kurz gekommen.
 

CCU: Nach unserem Kenntnisstand wird Hans-Peter Behm dein Nachfolger.
 
Charly Mey: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sache so fest steht, wie in der Zeitung geschrieben wurde. Auch Hans-Peter Behm ist zeitlich sehr eingeschränkt und wird das Amt des Stadionsprechers nicht voll ausführen können. Ich habe da meine Bedenken.
Wer auch immer diese Aufgabe übernehmen wird, dem kann ich nur wünschen, dass er für die kommende Saison schöne Spiele und ein begeisterungsfähiges Publikum erleben wird.
 

CCU: Unsere letzte Frage: Wird der SSV Ulm 1846 in dieser Saison aufsteigen?
 

Charly Mey: Ich bin kein Prophet, und der Wettbewerb ist auch in diesem Jahr sehr stark.
Für mich gehören neben Ulm der SV Waldhof Mannheim und der SSV Reutlingen zu den ersten Anwärtern für den Aufstieg. Für Ulm spricht, dass der Kader mit seinen Leistungsträgern gehalten werden konnte. Im Sponsorenbereich wurden viele Aktivitäten gestartet. Man ist hier auf dem richtigen Weg.
Der Aufstieg ist nun nicht nur angebracht, sondern auch fällig.
Ulm hat ein begeisterungsfähiges Publikum, das Umfeld für höherklassigen Fußball ist noch immer da.

CCU: Vielen Dank Charly für deine Äußerungen. Im Namen der Fans wünschen wir dir viel Glück und Gesundheit. Auf dass man sich im Donaustadion wieder trifft.
 

Anmerkung des CCU: Bezüglich der Nachfolgeregelung haben wir bei Hans-Peter Behm nachgefragt. Hier wurde bestätigt, dass eine Nachfolgeregelung noch nicht hundertprozentig geregelt ist, da der Zeitaufwand auch für Herrn Behm sehr hoch ist. Er bestätigte uns jedoch, dass er, soweit es ihm seine Zeit erlaubt, als Stadionsprecher zur Verfügung stehen wird.
Es bleibt also abzuwarten, was sich in Sachen Stadionsprecher noch tun wird.

M.B. / U.M.